People's Health Movement Südafrika plant landesweite Kampagne für Zugang zur Gesundheitsversorgung
Es gehört zu den besonderen Umständen des Übergangs vom Apartheidregime zur Demokratie, dass zwischen Verfassungsanspruch und Verfassungswirklichkeit in Südafrika ein tiefer Riss klafft. So garantiert die Verfassung den Bürgerinnen und Bürgern das volle Recht auf Zugang zur Gesundheit, während sich die Wirklichkeit vor Ort nicht nur für die Hunderttausende von AIDS-Kranken ganz anders darstellt. Das People's Health Movement hat sich jetzt vorgenommen, den Gegensatz von Anspruch und Wirklichkeit zum Ausgangspunkt einer Kampagne zu nehmen, mit der die Gesundheitsverhältnisse des Landes zum Tanzen gebracht werden sollen. Dabei will das PHM den Streit für das Recht auf Gesundheit mit allen Kämpfen zusammenbringen, in denen gleichermaßen garantierte und gleichermaßen unabgegoltene Rechtsansprüche eingeklagt werden: das Recht auf umfassende Versorgung mit sauberem Trinkwasser und mit Strom, auf ausreichenden Wohnraum in Stadt und Land, auf nachhaltige, auch materiell abgesicherte Gemeindeentwicklung, auf Bildung und soziale Sicherheit. Alles zusammen Bedingungen, ohne die der gleiche Zugang aller zur Gesundheit nicht verwirklicht werden kann.
Mittlerweile hat das PHM erste zustimmende Reaktionen auf seine Anfragen erhalten. So ist die Treatment Action Campaign (TAC), die für den Zugang zu AIDS-Medikamenten streitet, ebenso an einer Zusammenarbeit interessiert wie die legendäre Frauenorganisation Black Sash, deren Wurzeln in die 1950er-Jahre zurückreicht. Zustimmung signalisiert haben auch der Gewerkschaftsbund COSATU, die Gewerkschaft der öffentlichen Bediensteten und die der Erziehungs- und Gesundheitsprofessionellen. Interessiert sind natürlich die Studentenverbände. Mit an Bord ist aber nicht nur die Zivilgesellschaft, sondern auch die staatliche Menschenrechtskommission: Die hat die Alltagsrealität der verfassungsmäßig garantierten Rechte zu überwachen und wünscht sich seit langem schon nichts sehnlicher als den massiven Druck der sozialen Bewegungen.
Health & Poverty-Hearings
Kommt die Regenbogenkoalition zusammen, will das PHM im ersten Schritt landesweite öffentliche Anhörungen der Betroffenen organisieren. Für dieses Vorhaben gibt es zwei erfolgversprechende Vorbilder. Das erste sind die berühmten "Poverty Hearings" aus dem Anti-Apartheid-Kampf, in denen Abertausende individuell Zeugnis ihrer Lage ablegten und sich über die Aussprachen zur sozialen Bewegung zusammenfanden. Das zweite sind die "Health Hearings", mit denen das indische PHM den Startschuss seiner Kampagne abgab: einer Kampagne, die mittlerweile zum politischen Dach geworden ist, unter dem Gewerkschaftler, Frauenrechtlerinnen, Landreformer und Menschenrechtsaktivistinnen zusammenkommen, um im Streit für das Recht auf Gesundheit ihren gemeinsamen Fokus zu finden. "Bis jetzt ist das nicht mehr als eine Hoffnung", sagt David Saunders vom PHM in Kapstadt, "aber eine strategische Hoffnung. Wir haben die Karten gut gemischt".