Seit Jahren unterstützt medico international die grenzüberschreitende Arbeit der Physicians for Human Rights – Israel in Gaza und im Westjordanland, aber auch im Süden Tel Avivs, wo in Jaffa die Türen der Open Clinic allen Menschen ohne Zugang zur Gesundheitsversorgung offen stehen. In der Vergangenheit leisteten wir gemeinsam mit ihnen auch humanitäre Hilfe für den Gazastreifen. Über geplante Aktivitäten sind wir mit den Kolleg:innen in Israel und in Gaza in Verbindung.
In diesen turbulenten Momenten wollen wir klar und unmissverständlich zum Schutz der Menschenrechte aufrufen.
In den vergangenen Tagen wurden wir Zeug:innen schwerer Beschädigungen an Leben, Leib und Seele, Eigentum und Rechten von Palästinenser:innen, die unter israelischer Kontrolle leben. Wir wurden Zeug:innen eines massiven Raketenbeschusses über israelischen Städten, der bereits Todesopfer gefordert hat, und wir wurden Zeuge von Hassverbrechen gegen Israelis und Palästinenser:innen, die einen schweren emotionalen und physischen Tribut gefordert haben.
Das Recht auf Gesundheit ist zuallererst das Recht auf Leben; kein Individuum, keine Gruppe oder Nation würde tatenlos dastehen, während ihr Leben übersehen und als minderwertig gegenüber dem Leben anderer behandelt wird. In Zeiten wie diesen müssen wir die Grundregeln der Menschenrechte und der medizinischen Ethik hochhalten. Es ist wichtig, die Neutralität medizinischen Personals sicher zu stellen. Wir sind verpflichtet, medizinisches Personal und seine Bewegungsfreiheit zu schützen, um seine Fähigkeit zu gewährleisten, Verwundete zu versorgen. Die institutionellen Sicherheitskräfte müssen das Recht der Bürger:innen auf Protest respektieren und auf Gewaltanwendung verzichten, und alle bewaffneten Kräfte in der Region müssen es unterlassen, Zivilist:innen zu verletzen – sowohl israelische als auch palästinensische. Und wir alle müssen davon Abstand nehmen, uns von Hassverbrechen und Aufwiegelung mitreißen zu lassen, und stattdessen zusammenarbeiten, um grundlegende Veränderungen zu bewirken.
Seit Jahrzehnten leben Palästinenser:innen unter israelischer Kontrolle in ihren verschiedenen Formen – einschließlich Aspekten von Apartheid und Kolonialismus – im Gazastreifen, im Westjordanland und in Israel. Diese Realität, in der sowohl die israelische als auch die palästinensische Gesellschaft Teil eines unterdrückerischen Segregationsregimes mit Aufwiegelung aus den höchsten Rängen ist, hat zu einem Siedepunkt und zum Verlust des Glaubens an die Möglichkeit einer wirklich gleichberechtigten und sicheren gemeinsamen Zukunft geführt.
Diese Ereignisse, die Vertreibung von Familien aus ihren Häusern im Jerusalemer Stadtteil Sheikh Jarrah, die Verletzung der Freiheit der Religionsausübung für Muslime während des heiligen Monats Ramadan, Polizeigewalt gegen Demonstrierende im ganzen Land, Gewalt an der al-Aqsa-Moschee einschließlich der Angriffe auf Gläubige und medizinisches Personal, und gewalttätige Angriffe auf israelisch-jüdische Bürger:innen, sind Ausdruck und Folge einer tiefgreifenden Ungerechtigkeit, eines ursprünglichen Übels, das nie anerkannt und angegangen worden ist. Sie sind Ausdruck und Folge des Unrechts der Enteignung und der Vorherrschaft eines Volkes über ein anderes. Dies äußert sich darin, dass manche Leben höher geschätzt werden als andere, in diskriminierender Gesetzgebung und im ungleichen Zugang zu geistigen, kulturellen und wirtschaftlichen Ressourcen.
Leider haben die Kurzsichtigkeit und die absichtlich zerstörerische Politik der israelischen Entscheidungsträger:innen zu der Eskalation geführt, in der wir uns derzeit befinden, und zu dem Leid, das beiden Völkern zugefügt wurde. Wir fordern, dass die Entscheidungsträger:innen zur Vernunft kommen und alles ihnen Mögliche tun, um weiteren Schaden zu verhindern und den Kreislauf aus Trauer, Leid und Schmerz zu beenden.
Wir stehen in ständigem Kontakt mit unseren Partner:innen im Gaza-Streifen und im Westjordanland, im Süden Israels und in der israelischen und palästinensischen Zivilgesellschaft. Wir haben nach dem Angriff auf die al-Aqsa-Moschee bei den israelischen Behörden Protest eingelegt und werden uns dafür einsetzen, dass das Gesundheitssystem im Gazastreifen, das unter schwerem Mangel an Ressourcen leidet, die Angriffe bewältigen kann. Wir werden versuchen, auf die steigenden Bedürfnisse im Süden und in Israel im Allgemeinen zu reagieren, und wir werden unsere humanitären Aktivitäten in der Mobilen Klinik und in der Offenen Klinik fortsetzen.
Als Gesundheitsarbeiter:innen, die für die Behandlung von körperlich und seelisch Verwundeten verantwortlich sind, wissen wir nur zu gut, welchen Preis die Opfer von Gewalt und Hass zahlen. Wir wissen, dass dies ein Preis ist, den selbst eine verwundete, gespaltene Gesellschaft zahlt, und wir wissen, wie lang und schwierig die Heilung sein wird. Die Beendigung der Gewalt ist eine notwendige Grundvoraussetzung dafür, den sicheren Raum zu schaffen, den wir alle brauchen, um zu heilen.
Der Beitrag erschien am 12. Mai unter dem Titel „These Days While the Country is Burning“. auf der Seite der Physicians for Human Rights – Israel.
medico-Partnerorganisationen in Palästina und Israel verteidigen die Menschenrechte, leisten medizinische Nothilfe in Gaza, Rechtsbeistand in Israel und setzen sich für eine politische Perspektive ein, die allen Menschen zwischen Jordan und Mittelmeer gleiche Rechte garantiert.