Menschenrechte

Völkerrechtsbruch ist Völkerrechtsbruch

13.07.2023   Lesezeit: 2 min

Zwischenruf zum Einsatz von Streumunition in der Ukraine.

Von Anne Jung

Der Kommentar des Bundeskanzlers kam so lapidar daher, dass er leicht überhört werden konnte. Nach der Ankündigung der USA, der Ukraine Streumunition zur Verfügung zu stellen, ließ Bundeskanzler Olaf Scholz verlauten, er wolle dies nicht bewerten, es handle sich um eine souveräne Entscheidung der USA.

Mit diesem einen Satz stellt der Bundeskanzler einen zentralen Punkt der internationalen Streubomben-Konvention in Frage, die 2010 in Kraft trat. Raushalten ist nämlich nicht vorgesehen in diesem für Deutschland als Unterzeichnerstaat verbindlichen Abkommen.

In dem völkerrechtlichen Vertrag heißt es, einsehbar auf der Website des Auswärtiges Amts: „Jeder Vertragsstaat notifiziert den Regierungen aller Staaten, die nicht Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind, seine Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen, fördert die Normen, die darin niedergelegt sind, und bemüht sich nach besten Kräften, Staaten, die nicht Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind, vom Einsatz von Streumunition abzubringen.“

Aufgrund vergleichbarer Langzeitfolgen für die Zivilbevölkerung wird die Konvention über Streumunition oft mit der 1997 geschlossenen Ottawa-Konvention zum Verbot von Antipersonenminen verglichen. Beide Abkommen sind auf Druck von jahrelangen internationalen zivilgesellschaftlichen Kampagnen zustande gekommen.

Fatal sind nicht nur die direkten Auswirkungen von Streumunition bei ihrem Einsatz, sondern auch die Langzeitfolgen, die diese Waffenart durch ihre hohe Fehlerquote mit sich bringt: Streumunitionsblindgänger unterscheiden nicht zwischen Freund und Feind und gefährden und töten fast ausschließlich Zivilist:innen. Militärexpert:Innen berichten, dass die Blindgängerquote von Streumunition bis zu 40 Prozent betragen kann und dass Blindgänger bei Berührung sehr leicht explodieren.

Verpflichtung für eine aktive Friedenspolitik

Streumunition gefährdet vor allem Kinder, die neugierig nach den Waffen greifen, die unkontrolliert überall herumliegen. Nicht explodierte Streumunition verwandelt ganze Landstriche über lange Zeit in unbegehbare Zonen. Sie stellt für die Bewohner:innen ländlicher Gebiete bei der täglichen Arbeit und für Menschen auf der Flucht vor dem Krieg eine tödliche Gefahr dar. Es sind mehrheitlich Zivilist:innen, die Opfer von Streumunition werden.

Mit der „Ich halte mich raus-Strategie“ verstößt Deutschland gegen das Völkerrecht, denn das Abkommen beinhaltet die Verpflichtung für eine aktive Friedenspolitik. Noch vor wenigen Monaten sprach übrigens auch Nato-Generalsekretär Stoltenberg anlässlich des russischen Einsatzes von Streumunition im Ukraine-Krieg von einem Völkerrechtsbruch.

Das Völkerrecht darf aber nicht nur dann in Anspruch genommen werden, wenn es der eigenen Position dient, sondern ist als Schutz verallgemeinerbarer Menschenrechte unabdingbar, auch und gerade in Kriegszeiten. Das ist die Grundlage, auf der jedweder Einsatz von Streumunition zu verurteilen ist. Denn am Ende bleibt ein Völkerrechtsbruch ein Völkerrechtsbruch.

Anne Jung (Foto: medico)

Anne Jung leitet die Öffentlichkeitsarbeit bei medico international. Die Politikwissenschaftlerin ist außerdem zuständig für das Thema Globale Gesundheit sowie Entschädigungsdebatten, internationale Handelsbeziehungen und Rohstoffe.

Twitter: @annejung_mi


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