Bislang hat das Bundesaufnahmeprogramm Hoffnungen auf Schutz für gefährdete Afghan:innen vor allem geweckt, ohne diese zu erfüllen. Statt der bisher möglichen 21.000 Aufnahmen sind lediglich 533 Menschen in Deutschland eingereist – während Tausende mit Aufnahmezusage seit Monaten in Pakistan ausharren und auf ein Visum warten.
Die nun geplanten, drastischen Kürzungen im Haushaltsentwurf der Bundesregierung für 2025 könnten das Ende des Aufnahmeprogramms bedeuten. Dies käme nicht nur einem Scheitern der selbstgesetzten Ziele der Bundesregierung gleich, sondern einer eklatanten Missachtung ihrer Verpflichtung zum Schutz gefährdeter Afghan:innen.
Das Debakel vom Flughafen in Kabul im August 2021 droht sich im leeren Versprechen des Bundesaufnahmeprogramms fortzusetzen – diesmal allerdings nicht voller Hast, sondern sehenden Auges und entgegen besserer Möglichkeiten.
Die Bundesregierung darf die Menschen in Afghanistan nicht zurücklassen. Zusammen mit einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis fordern wir daher, dass das Bundesaufnahmeprogramm vollumfänglich weiterfinanziert und die Verfahren in allen Phasen beschleunigt werden, um die geplante Aufnahme von gefährdeten Personen in voller Anzahl umzusetzen:
Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan muss wie angekündigt weitergeführt und weiterfinanziert werden! Kein Ausverkauf von aktiver Menschenrechtspolitik!
Das Fortbestehen des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan (BAP) steht auf der Kippe. Laut Kabinettsentwurf der Bundesregierung, der verschiedenen Organisationen vorliegt und der in einer Pressekonferenz am 17.07.2024 offiziell vorgestellt wird, soll der unter anderem für das BAP vorgesehene Etat des Bundesinnenministeriums (BMI) für das Jahr 2025 auf rund 13% des Budgets von 2024 gekürzt werden. Das würde de facto das Ende des BAP bedeuten. Dies wäre fatal und ein voreiliges Ende eines elementaren Menschenrechtsprogramms. Besonders befremdlich ist, dass der Haushaltsentwurf vorsieht, den Haushalt des BMI um 400 Millionen Euro zu erhöhen, gleichzeitig aber essentielle Mittel für humanitäre Aufnahmeprogramme zu streichen. Mit den Streichungen würden nicht nur die ressortübergreifenden Abstimmungen missachtet, sondern auch explizit im Koalitionsvertrag festgelegte Zusagen untergraben.
Die unterzeichnenden Organisationen appellieren daher an die Bundesregierung, die Mitglieder des Bundestags und insbesondere an die Haushaltspolitiker*innen:
1. Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan muss wie geplant weitergeführt und mindestens bis Ende der Legislaturperiode vollumfänglich weiterfinanziert werden. Es muss mit dem politischen Willen ausgestattet werden, den es braucht, um die humanitäre Aufnahme gefährdeter Afghan*innen im Umfang der Aufnahmeanordnung in dieser Legislaturperiode zu ermöglichen.
2. Die Bundesregierung muss das von ihr selbst gesteckte Ziel der Aufnahme von bis zu 1.000 gefährdeten Personen im Monat - also insgesamt bis zu 36.000 Personen - weiter verfolgen und umsetzen. Dazu muss das Verfahren nicht eingestellt, sondern in allen seinen Phasen beschleunigt werden.
Insbesondere die Zustände in Islamabad, Pakistan, würden sich durch die Kürzungen dramatisch verschlimmern. Aktuell harren dort über 3.700 Personen aus, die sich bereits im Aufnahmeverfahren befinden. Weitere ca. 15.000 Personen hat die Bundesregierung bereits ausgewählt und kontaktiert, viele warten seit Monaten auf Rückmeldung. Sollten die Finanzierungen ausbleiben, würden die Menschen in Pakistan und Afghanistan ihrem Schicksal überlassen. Ihnen drohen weitere schwere Menschenrechtsverletzungen wie Verfolgung, physische und psychische Gewalt, Folter und im Fall von Pakistan auch Abschiebungen. Für besonders betroffene Personengruppen wie LGBTIQ-Personen sowie Frauen und Mädchen bedeutet dies eine direkte Existenzbedrohung. Massive Verzögerungen an der deutschen Auslandsvertretung in Islamabad werden zudem in vielen Fällen dazu führen, dass Menschen, die bereits eine Aufnahmezusage haben (Stand Juli 2024: 2.150 AZ), mithilfe dieser nicht mehr ins Bundesgebiet reisen können.
Unterzeichnende Organisationen (Stand: 19.07.2024):
Afghan Women Activists Coordinating Body Afghanistan-Schulen Verein zur Unterstützung von Schulen in Afghanistan e.V. | Amnesty International Deutschland e.V. | Artists at Risk (AR) | Association of Prosecuting Attorneys, Inc. | AWO Bundesverband e.V. | BAfF e.V. | Bildung ohne Bücher Bin gGmbH | Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL e.V. | Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. (BumF) | Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen (BHFI) | Climate Activist Defenders | Deutsche Sektion der Women's International League for Peace and Freedom (WILPF Deutschland) | Deutscher Kulturrat e.V. | European Organisation for Integration e.V. | Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. | Hami, Frauen Empowerment Organization | Kabul Luftbrücke | LeaveNoOneBehind | LSVD+ - Verband Queere Vielfalt e. V. (zuvor Lesben- und Schwulenverband LSVD) | Medica Mondiale e.V. | medico international | move on - menschen.rechte Tübingen e.V. | Münchner Flüchtlingsrat e.V. | Netzwerk Afghanistan Info Hamburg | NKV Wiesbaden | Osborne Clarke Rechtsanwälte Steuerberater Part mbB | Reporter ohne Grenzen Deutschland | Soziale Initiative Hamburg SI-HAM e.V | Stitching for School and Life e.V. (SSL e.V.) | TERRE DES FEMMES Menschenrechte für die Frau e.V. | terre des hommes Deutschland e.V. | Verein der Afghanischen Muslime e.V. | Verein für Afghanistanförderung Bonn (VAF) | Verein zur Förderung der Integration von hochqualifizierten Zuwanderinnen und Zuwanderern (INTEZ e.V.) | Visions for Children e.V