Manche Leben scheinen mehr wert zu sein als andere. Um die auf 150 Quadratkilometern eingeschlossenen Rebellen der Tamil Tiger zu besiegen, nimmt die sri-lankische Armee keinerlei Rücksicht auf die 200.000 Zivilisten zwischen den Fronten. Die Menschen von Mullaithivu im tamilischen Norden der Urlaubsinsel bringen sich vor dem flächendeckenden Beschuss in überfüllten Unterständen in Deckung. Dort finden sie nur stehend Platz und müssen über Stunden ausharren. Sie essen Würmer und Wurzeln. Mehr gibt es nicht. Seit Mitte Januar hat die Armee weder Lebensmittel noch Wasser oder Medikamente zu den Verzweifelten durchgelassen. Ein Pater berichtet, dass nicht nur Stellungen der Rebellen, nicht nur Häuser, Hütten und Flüchtlingslager, sondern auch Schulen, Krankenhäuser und Gesundheitsstationen zu militärischen Zielen erklärt wurden. Alles – Menschen, Tiere, Gebäude – wird ohne Rücksicht bombardiert. Das Verteidigungsministerium hat Ärzte und Gesundheitsarbeiter vor den Folgen gewarnt, die ihre Hilfe für „die Unterstützer von Terroristen“ nach sich ziehen würde.
Die Tamil Tiger versuchen viele Menschen an der Flucht zu hindern. Alle, die dennoch entkommen, werden in Militärlagern, sog. „Collection points“, nahe der Stadt Vavuniya interniert. Frauen, Männer und Kinder, viele zum Teil schwer verletzt. Dort stehen sie pauschal unter „Rebellen-Verdacht“. Vor allem die jüngeren, Frauen wie Männer, werden gefoltert, andere gleich erschossen. Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung, in den Lagern wie im Kampfgebiet. In Colombo findet der Krieg auf andere Weise statt. Einerseits erschüttern tamilische Selbstmordanschläge die Hauptstadt. Andererseits werden regierungskritische Journalisten, Anwälte und Menschenrechtsaktivisten gezielt ermordet. Die sri-lankische Regierung hängt völlig von ausländischer Unterstützung ab, von den USA, Japan, auch der EU. Russland hat gerade einen Vorstoß Mexikos blockiert, Sri Lanka vor den Sicherheitsrat der UN zu bringen. Die EU entscheidet demnächst über Handelspräferenzen für das Land. Für ihr Überleben brauchen die Menschen eine sofortige Feuerpause, sichere Fluchtkorridore. Armee und Paramilitärs müssen sich sofort aus den Lagern zurückziehen.
Was können wir tun, um diese Tragödie wenigstens abzumildern? Wir fürchten, so gut wie NICHTS. Die Welt hat kein besonderes Interesse an dem Schicksal der tamilischen Bevölkerung. Die Tamil Tiger sollen im globalen Anti-Terror-Kampf endgültig vernichtet werden. Schon jetzt sind Internierungslager projektiert, in denen die aus ihren Dörfern und Siedlungsgebieten verjagte Bevölkerung zusammengefasst, eingehegt und auf Dauer kontrolliert werden soll. Im Beschweigen dieser menschlichen Katastrophe durch die Medienöffentlichkeit und durch den Handlungsunwillen der Mächtigen dieser Welt erscheinen die hunderttausende Verzweifelten im Norden Sri Lankas als von Anfang an gestorben. Solidarität beginnt damit, ihr Leiden wahrzunehmen.
Menschenrechtsaktivisten, mit denen medico zusammenarbeitet, helfen im Verborgenen. Manche jetzt aus dem Ausland. Im Augenblick geht es um Nothilfe für die Kriegsflüchtlinge – und darum, Öffentlichkeit zu schaffen.
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