Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hat die Regierung Sri Lankas per Resolution zur Untersuchung mutmaßlicher Verbrechen der Armee in der Schlussphase des 2009 beendeten Krieges verpflichtet. Der aktuell in Genf tagende Rat verabschiedete diese Resolution mit der deutlichen Mehrheit von 24 zu 15 Stimmen, maßgeblich für dieses Ergebnis war die erst kurz zuvor getroffene Entscheidung Indiens, der von den USA eingebrachten Vorlage zuzustimmen.
{sandya_ekneligodajpg class="links"} In erster Linie ist dieses Ergebnis allerdings der mutigen Arbeit srilankischer Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten zu danken, von denen einige auch in Genf das Wort ergriffen. Sandya Eknaligoda, Frau des 2010 entführten Journalisten Prageeth Eknaligoda, und Farah Milar, Mitarbeiterin der Minority Rights Group (MRG), mussten sich dazu massiver Einschüchterungsversuche der mit fast hundert Mitgliedern angereisten srilankischen Regierungsdelegation erwehren, von denen sie massiv verunglimpft und für die Zeit nach ihrer Rückkehr persönlich bedroht wurden. Die beiden Aktivistinnen sprachen auf einer von mehreren NGOs getragenen Veranstaltung im Genfer Uno-Gebäude, die von 17 Regierungsvertretern so heftig und lautstark gestört wurde, dass ihr Fortgang nur durch uniformiertes Sicherheitspersonal der Uno gewährleistet werden konnte.
Zu ähnlich heftigen Szenen kam es in einem Genfer Hotel, in dem sich Menschenrechtsaktivisten ebenfalls der persönlichen Bedrohung und Beschimpfung durch Delegierte der Regierung in Colombo erwehren mussten. Weil es bei Tagungen des Menschenrates niemals zuvor zu solchen Vorfällen gekommen ist, haben acht Menschenrechtsorganisationen, darunter medico, beim Rat offiziell Beschwerde eingelegt.
{nimalka-fernandojpg class="links"} Übertroffen wird das Geschehen in Genf allerdings durch das, was Menschenrechtsaktivistinnen und –aktivisten zurzeit in Sri Lanka selbst widerfährt. Seit Wochen betreiben das Fernsehen, die Rundfunksender und die mittlerweile völlig gleichgeschalteten Zeitungen „Hass-Kampagnen“ gegen prominente Aktivisten wie Paikiasothy Saravanamuttu, Sunila Abeysekera und Nimalka Fernando, die nach dem Tsunami zu den ersten medico-Partnern auf der Insel gehörte. Dabei scheuen die Medien nicht davor zurück, ihre Zuschauer und Leser auch zu offener Gewalt gegen die „Verräter des Mutterlands“ aufzurufen, deren Namen und Portraitfotos täglich neu exponiert werden. Die drei haben sich deshalb in einer namentlich gezeichneten Erklärung (rechts zum Download) direkt an die srilankische und öffentliche Öffentlichkeit gewendet. Dabei ist die Bedrohung ihres Lebens so ernst, dass zu ihrem Schutz mittlerweile eine zweite, von 79 Vertreterinnen und Vertretern der srilankischen Zivilgesellschaft (rechts zum Download) ebenfalls namentlich gezeichnete Erklärung veröffentlicht wurde.
Den Hintergrund dieser Vorgänge bildet natürlich die jetzt offiziell zum Thema der Uno erhobene Frage der von der srilankischen Regierung zu verantwortenden Kriegsverbrechen. So fielen dem Vernichtungskrieg der Armee gegen die Tamil-Tiger-Rebellen nach Angaben der Uno allein im Frühjahr 2009 40.000 Menschen zum Opfer, von denen die allermeisten unbewaffnete Zivilistinnen und Zivilisten waren. Mit der Verabschiedung der Resolution ist die Dringlichkeit einer Aufklärung dieser Verbrechen gegen die Menschlichkeit und letztlich auch einer Bestrafung der Verantwortlichen von der weltweit dafür maßgeblichen Institution ausdrücklich bestätigt worden. Allerdings belässt die Erklärung die Durchführung der entsprechenden Untersuchungen bis auf Weiteres in Verantwortung der Regierung in Colombo. Kommt die Regierung ihrem Auftrag nicht nach, wird sie einer unabhängigen internationalen Untersuchung übertragen werden müssen.
Die in Genf aktiven Vertreter der srilankischen Zivilgesellschaft sind mittlerweile in ihre Heimat zurückgekehrt und werden trotz der lebensbedrohlichen Hass-Kampagnen in dieser Frage nicht nachgeben. medico wird ihnen auch weiter an der Seite stehen und ruft deshalb zu ihrer Unterstützung auf.