1987, zwanzig Jahre nach der israelischen Besetzung der palästinensischen Gebiete in Westbank und Gazastreifen begann die Erste Intifada, der Volksaufstand gegen die Okkupation. Nicht länger nur von außen, von Stützpunkten in Jordanien, Libanon oder Syrien kämpften Palästinenser gegen die in allen Kriegen siegreichen Israelis, sondern auch die Menschen unter der "liberalsten Besatzung der Welt", wie sie die israelische offizielle Politik gerne bezeichnete, wehrten sich mit vielfältigen, überwiegend gewaltfreien Mitteln und mit den Steinen der Jugendlichen und Kinder, die zum Symbol dieses Aufstands, der Ersten Intifada werden sollten.
Die offensichtliche Ungleichheit der Waffen zwischen der hochgerüsteten israelischen Armee und den Aufständischen löste auch in der Israelischen Gesellschaft eine Welle von Protesten und kritischem Aktivismus aus, die Forderung nach der Gültigkeit der Menschenrechte auch in den besetzten Gebieten und nach einem Ende der Besatzung fand mehr und mehr Zustimmung in einer liberalen Öffentlichkeit. Hunderte von Gruppen entstanden, Hunderte zerfielen wieder, als die Lösung des Konflikts auch mit den Oslo-Verträgen in keine sichtbare Nähe rückte, als sich für eine konsequente Aufgabe der Besatzung keine stabilen politischen Mehrheiten in Israel fanden. Eine der wenigen Initiativen mit langem Atem, die damals entstanden, sind die Ärzte für Menschenrechte - Israel.
Für das Recht auf Gesundheit für alle BewohnerInnen von Israel/Palästina
Unter der Leitung der Psychiaterin Ruchama Marton machten sich ein Dutzend israelische ÄrztInnen kurz nach Beginn der Ersten Intifada auf den Weg nach Gaza, um sich ein eigenes Bild von den Folgen der Auseinandersetzungen zu machen – sie sahen junge Menschen mit mehrfachen Knochenbrüchen, etliche davon entstanden bei den Versuchen, sich vor Schlägen zu schützen, Verletzungen, die gezielt schwere Schäden zur Folge haben sollten und einen miserablen Zustand der staatlichen Krankenhäuser, die die Versorgung der Bevölkerung unter der Besatzung sicherstellen sollten. Dies war die Initialzündung zur Gründung der Ärzte für Menschenrechte - Israel.
Das erklärte Ziel der Organisation ist es die gesundheitlichen Menschenrechte aller BewohnerInnen Israels und der besetzten Gebiete zu verteidigen und zu fördern. Dies sehen sie als eine Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit und als eine Verpflichtung, die sich aus den Internationalen Menschenrechte ergibt. Sie greifen offensiv an, dass die medizinische Versorgung unter andere politische Ziele untergeordnet wird. Der Kampf gegen jede Art von Folter und besonders die Einbindung von medizinischem Personal in diese Praktiken gehört zu ihren zentralen Arbeitsfeldern. Sie dokumentieren, lobbyieren und greifen mit konkreten Projekten ein, wenn sie diese Rechte auf eine menschenwürdige medizinische Versorgung verletzt sehen. Ihrem Verständnis nach dürfen die Ärzte für Menschenrechte - Israel nicht nur die Rolle eines Beobachters einnehmen, der die Wunden notdürftig flickt und die Zerstörungen durch den Konflikt zur Kenntnis nimmt. Als Ärzte übernehmen sie Verantwortung für die Heilung von Kranken und Verletzten. Als israelische Organisation jedoch kennen sie den israelischen Besatzungsapparat und sehen es als ihre Pflicht an, ihr Wissen zu nutzen und gegen die Besatzung initiativ zu werden. Im Laufe der Jahre sind vielfältige Initiativen entstanden.
Die Projekte der Ärzte für Menschenrechte- Israel:
Besetzte Gebiete und Mobile Kliniken
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Seit über 20 Jahren fährt jeden Samstag eine mobile Klinik der Ärzte für Menschenrechte in ein anderes Dorf in den besetzten Gebieten. Sie besteht aus jüdischem und arabischem Gesundheitspersonal, allesamt Freiwillige. Zusammen mit palästinensischen Kollegen, wie dem medico-Partner Palestinian Medical Relief Society, bieten sie kostenfreie Untersuchungen und Medikamente. Die konkrete Hilfe zielt gleichzeitig auf die Politisierung des israelischen Gesundheitspersonals. Dieses ist oft zum ersten Mal mit der Besatzungsrealität konfrontiert. Seitdem Israel über den Gazastreifen eine Blockade verhängt hatte, werden auch die mobilen Kliniken an der Einreise gehindert. Zusammen mit palästinensischen Partnern, wie dem medico-Partner Al Mezan, koordinieren die Ärzte für Menschenrechte deshalb Kampagnen, die auf die menschenrechtlichen und gesundheitsrelevanten Aspekte der Blockade aufmerksam machen.
Gleiche Rechte für die arabischen BürgerInnen Israels: Beduinen in der Negev-Wüste
Ebenso wichtig wie der Kampf für eine sichere und menschenwürdige Gesundheitsversorgung der PalästinenserInnen in Westbank und Gazastreifen ist die Kampagne zur Sicherung eines gleichen und gerechten Zugangs der arabischen BürgerInnen von Israel – fast 20% der gesamten Bevölkerung Israels - die immer noch "BürgerInnen zweiter Klasse" sind. In einer besonders benachteiligten Situation befinden sich die arabischen Beduinen, die in der Negev-Wüste leben. Ihre traditionelle Lebensweise und etablierten Dörfer werden von der israelischen Regierung und Verwaltung fast immer missachtet. Umsiedlungen in eilig errichtete Neubausiedlungen vor allem dann verfügt, wenn ihr Land für Militärzwecke, Naturschutzgebiete oder Industrieansiedlung gebraucht wird. Die Ärzte für Menschenrechte - Israel arbeiten gemeinsam mit ihnen für einen respektvollen Umgang mit Ihren Traditionen, für eine an ihre Lebensweise angepasste Gesundheitsversorgung und gegen ihre Diskriminierung und Ausgrenzung aus der israelischen Gesellschaft.
Offene Klinik: Gesundheitsversorgung für ArbeitsmigrantInnen und Flüchtlinge
Eine weitere Gruppe von Menschen in Israel mit ungesichertem Zugang zu einer guten und menschenwürdigen Gesundheitsversorgung sind die zahlreichen ArbeitsmigrantInnen, die keine dauerhaft gesicherte Aufenthaltsrechte bekommen und damit von der regulären medizinischen Versorgung nicht erreicht werden. Hier ist die Offene Klinik in Jaffa eine wichtige Einrichtung, die nicht nur vielen Tausend Patienten jährlich unmittelbare Hilfe leistet, sondern auch die Probleme dieses "unsichtbaren" Teils der israelischen Gesellschaft thematisiert und auf Abhilfe dringt. In den letzten Jahren nutzen immer mehr Flüchtlinge die Offene Klinik. Nachdem diese oft zu Fuß aus Afrika geflohen sind, nachdem sie Massenmorde und andere Gewalt erfahren haben, erhalten sie in Israel weder rechtlichen Schutz, noch Zugang zu Gesundheitsdiensten.
Das Recht auf Gesundheit in israelischen Gefängnissen
Von großer Bedeutung ist auch die Arbeit für gute medizinische Versorgung von Inhaftierten in israelischen Gefängnissen, besonders die unter Administrativrecht verhafteten PalästinenserInnen in Gefangenenlagern. Hierzu zählt auch die wachsame Beobachtung, Öffentlichmachung und Verhinderung von Folter im Zusammenhang mit Verhören während der Haft und der Rolle der Gefängnis-Mediziner bei diesen Maßnahmen.
Projektstichwort
medico international unterstützt die Ärzte für Menschenrechte - Israel jährlich mit ca. 30.000€: Mittel für die juristischen Auseinandersetzungen und für ihre Fallstudien, Kosten für die wöchentlichen Fahrten der mobilen Kliniken in die Westbank, die laufenden Kosten der Offenen Klinik; weil alle BewohnerInnen in Israel/Palästina ein Recht auf Gesundheit haben – ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft oder ihres Aufenthaltstatus. Spenden Sie unter dem Stichwort: Israel-Palästina