"Weit und breit ist alles kaputt"

Nothilfe im Gazastreifen

03.02.2009   Lesezeit: 4 min

Die israelischen und palästinensischen medico-Partnerorganisationen führen ihr Nothilfeprogramm im Gazastreifen fort. Die „Palestinian Medical Relief Society“ versorgt Verletzte in ihren Kliniken und verteilt Decken, Matratzen und Wasser. Die „Ärzte für Menschenrechte – Israel“ schicken notwendige Medikamente. Darüber hinaus unterstützen mehrere israelische Ärzte ihre palästinensischen Kollegen in Gaza. medico international unterstützte die Nothilfe seiner Partnerorganisationen für den Gazastreifen bisher mit 174.000 Euro.

Palestinian Medical Relief Society (PMRS)

Täglich entdecken die Mitarbeiter des medico-Partners Palestinian Medical Relief Society (PMRS) neue menschliche Tragödien. „Wir hören täglich von Verwundeten, die in und außerhalb von Gaza trotz der weltweiten Hilfsaktionen an ihren Verletzungen sterben. Viele Hunderte von Menschen werden noch immer vermisst. Ihre Familien leben in Ungewissheit, ob diese noch immer unter den Trümmern begraben liegen, oder ob sie in israelische Gefangenschaft geraten sind. Immer wieder finden wir Familien, die ohne Hab und Gut vor ihren Häusern kauern und sich in einer Art Schockstarre befinden“, berichtet der Direktor des PMRS-Nothilfeprogramms Dr. Aed Yaghi.

Die vier Basisgesundheitskliniken der PMRS sind wieder voll funktionsfähig: Sie empfangen täglich Hunderte von Patienten. Die Klinik in Jabalia ist nach wie vor 24 Stunden am Tag geöffnet. Sozialarbeiterinnen besuchen eine Familie nach der anderen, um den jeweiligen Bedarf zu ermitteln und die entsprechenden Stellen – die Physiotherapeuten oder die Ärzte der PMRS bzw. die Behörden - zu informieren. Sie verteilen Decken, Matratzen, Wasser und prüfen, welche Familie besondere psychologische oder materielle Unterstützung benötigt.

Die mobilen Kliniken fahren täglich in die am schwersten zerstörten Orte, um möglichst viele Menschen zu erreichen und niemand seinem Schicksal zu überlassen. Sie stehen vor einer riesigen Aufgabe: „Jeder bedarf Hilfe und auch wir selbst – mit all unserer Erfahrung - stehen manchmal ohnmächtig da und hoffen, dass uns persönlich jemand zu Hilfe käme.“

Ärzte für Menschenrechte – Israel (PHR-IL)

Die Ärzte für Menschenrechte – Israel (PHR-IL) schicken notwendige Medikamente und andere medizinische Hilfsgüter nach Gaza. Darüber hinaus konnten sie mehrere israelische Ärztedelegationen nach Gaza senden. Leider verbieten die israelischen Behörden die Einreise jüdischer Ärzte, sodass nur arabisch-palästinensische Israelis an diesen Missionen teilnehmen können. „Ganze Bezirke sind ausradiert worden. Es war unerträglich, sich das anzuschauen, aber wir werden zurückkehren. Unsere Ärztedelegationen müssen helfen, wo sie nur können, etwa bei Operationen in den Krankenhäusern“, sagt Dr. Salah Hajj Yihyeh von PHR-IL. „Das Gesundheitssystem von Gaza ist einfach nicht in der Lage, die Bevölkerung selbstständig zu versorgen, während die Blockade fortgeführt wird. Das ist auch unsere Art, Solidarität zu zeigen.“

Schneisen der Zerstörung und Trümmerfelder

Um sich einen Überblick über das Ausmaß der Zerstörungen und den weiteren medizinischen Bedarf zu verschaffen, ist zurzeit der deutsche Arzt Dr. Ralf Syring für medico international im Gazastreifen tätig. Er berichtet: „Es gibt zwei Arten von Zerstörungen. Zum einen die gezielte Zerstörung von ganz bestimmten Gebäuden. Zum anderen die Zerstörungen, dort wo Bodentruppen vordrangen. Die israelischen Panzer haben dort einfach alles niedergewalzt - auch Hühnerfarmen, Häuser, landwirtschaftliche und zivile Infrastruktur. Weit und breit ist alles kaputt. Ein paar verbrannte Häuser stehen noch inmitten einer Mondlandschaft. Bei solchen Angriffen wurden auch sehr viele unbeteiligte Menschen getötet.“

Ein Großteil der Industrieanlagen und der landwirtschaftlichen Betriebe wurden zerstört. Darüber hinaus wurden Schulen, Krankenhäuser, Kliniken, Wasser-, Abwasser- und Elektrizitätsinfrastruktur, sowie andere öffentliche Gebäude zum Teil schwer beschädigt. Diese müssen dringend repariert werden. Die Einfuhr von Gütern, wie Zement, Eisen, Röhren oder Ersatzteile wird jedoch fast komplett verhindert. Seit Beginn der Waffenruhe dürfen nur durchschnittlich 135 LKW-Ladungen täglich die israelischen Grenzübergänge in den Gazastreifen passieren. Um den unmittelbaren Bedarf zu decken, wären laut UN jedoch mindestens 500 LKW-Lieferungen täglich nötig. Der Zugang von humanitärem Personal hat sich seit dem 23. Januar verbessert, erreicht aber noch nicht den notwendigen Umfang.

Kritik an israelischer Blockade des Gazastreifens

medico international fordert zusammen mit seinen Partnerorganisationen PMRS und PHR-IL die Aufhebung der Blockade des Gazastreifens. Der Repräsentant von medico international in Jerusalem, Tsafrir Cohen, erklärt: „Die seit anderthalb Jahren andauernde Blockade hat zum Zusammenbruch des wirtschaftlichen und sozialen Lebens im Gazastreifen beigetragen und den Konflikt angeheizt. Eine weitere Eskalation der Gewalt ist nur mit einer politischen Lösung aufzuhalten, die für die Bewohner des Gazastreifens auch in einer schnellen Verbesserung des Alltagslebens sichtbar wird. Die Aufhebung der Blockade wäre ein solches sichtbares Zeichen.“ medico international ruft deshalb die deutsche Bundesregierung und die EU dazu auf, mit Israel und den palästinensischen Konfliktparteien zusammenzuarbeiten, um ein Ende der Blockade herbeizuführen.

Spendenaufruf Gaza

Für die Wiederherstellung der medizinischen Grundversorgung und langfristige Rehabilitationsmaßnahmen werden weitere Spenden benötigt:

Spendenkonto: medico international
Frankfurter Sparkasse
Kontonummer 1800
BLZ 500 502 01
Stichwort: „Palästina“

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